Interview: Cybermobbing

Interview mit Frau Dr. Catarina Katzer zum Thema Cybermobbing


Katzer1. Frau Katzer, ab wann fängt bei Ihnen Cybermobbing an?

Der Begriff des Mobbings wird ja generell häufig missverständlich gebraucht. Wer jemanden einmal beleidigt oder beschimpft, weil man sich im Streit befindet, das ist kein Mobbing.

Mobbing, und das gilt auch für Cybermobbing, ist ein Prozess,  der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt und der gezielt jemanden fertig machen möchte. Werden also immer wieder Gerüchte oder Lügen über eine Person gestreut, Hetzkampagnen in Gang gesetzt, die andere aufrufen mitzumachen oder immer wieder auf´ s Neue peinliche Fotos mit gemeinen, boshaften Kommentaren ins Netz gestellt oder von Handy zu Handy geschickt, dann handelt sich um Mobbingverhalten. Allerdings sind bei Cybermobbing die Handlungen per se immer dauerhaft- denn sie können ja kaum gelöscht und somit auch nicht wirklich gestoppt werden. Die Folge: Das Opfer kann den Opferstatus eigentlich kaum verheimlichen, es bleibt ein Leben lang Opfer dieser Handlung!!

 2. Denken Sie das Thema wird heute in seiner ganzen Bandbreite ernst genommen oder doch noch mit Skepsis betrachtet, da es ja „nur“ virtuell ist?

Was mich zum einen stört ist, dass Cybermobbing es meist dann in die Medien schafft, wenn es sich um einen außergewöhnlich dramatischen Fall handelt- wie z.B. der Selbstmord von Jugendlichen auf Grund von Cybermobbing-Attacken.

Allerdings erweckt man dadurch den Eindruck, dass dies ja nur Einzelfälle sind, die meisten bringen sich ja nicht um! 
Und das stimmt mich sehr nachdenklich! Denn klar ist, dass die Zahl von Jugendlichen, die sich in psychische Behandlung begeben müssen, weil sie die Schmach von Cybermobbing nicht mehr aushalten, in den letzten Jahren stark gewachsen ist. Wenn Sie mit Jugendpsychologen oder Psychiatern sprechen, nennen diese dramatische Anstiege. Und Selbstmordversuche sind – auch in Deutschland – keine Einzelfälle mehr.
Zum anderen fehlt unserer Gesellschaft häufig noch das Empfinden, die Empathie dafür, wie schlimm Cybermobbing für die Opfer sein kann- denn es spielt sich ja „nur“ im „virtuellen Raum“ ab! Allerdings sehen wir auch bei den Erwachsenen einen Anstieg bei Cybermobbing, Shitstorm und Co - man denke z.B. an Markus Lanz. Und wir stellen fest, dass sogar diese zum Teil große Probleme haben, mit solchen Anfeindungen zurecht zu kommen. Es ist einfach so, dass der Umgang im virtuellen Raum zunehmend rüder und für Opfer immer verletzlicher wird, auch durch die neuen technologischen Möglichkeiten mit Video- und Fotodarstellungen etcetera.

3. Sind die Medien in dieser Sache förderlich?

Ich denke, dass die Medien in ihrer Berichterstattung häufig sehr plakativ vorgehen, und die einzelnen Facetten gerade bei Cybermobbing gar nicht darstellen wollen. Sie zeigen meist die Opferseite, den Täter fertig. Dass es sich allerdings  bei den Opfern selbst um vorherige Täter handeln kann, oder bei den Tätern selbst auch um Mobbingopfer, dass eben auch Rache, Revanche oder Nachahmung bei der Täterschaft eine Rolle spielen können bzw. auch das eigene Verhalten (s. Lügen, sexting etc.) dazu führen kann, dass man zum Cybermobbingopfer wird, kommt in den Medien nie vor!

Deshalb ist es mittlerweile fast schon so, dass die Menschen übersättigt sind mit dem Thema Cybermobbing- und das ist tragisch, denn es wird immer neue Wege finden, und auch Unternehmen und Wirtschaft sind nicht mehr unberührt davon!

4. Inwiefern unterscheidet sich das „richtige“ Mobbing vom virtuellen?

Drei Faktoren machen eigentlich den Unterschied ganz deutlich: Erstens haben wir es bei Cybermobbing mit einer unglaublich großen Reichweite der Mobbingversuche zu tun. Zeuge werden nicht nur die anwesenden Personen, theoretisch können Tausende/ Hunderttausende zusehen (s. Facebook oder Youtube, Instagram). Damit nehmen auch Schamgefühl und die Hilflosigkeit zu. Zweitens ist kein Schutzraum mehr vorhanden: „Traditionelles Mobbing“ war häufig auf ein physisches Umfeld begrenzt z.B. Raum Schule, zu Hause war man dann vor Angriffen „geschützt“. Beim Cybermobbing kommen die Täter überall mit hin, sogar in das eigene Kinderzimmer. Und drittens ist Cybermobbing sozusagen endlos. Derartige Inhalte lassen sich im Netz nicht löschen. Auch wenn sie beispielsweise auf Facebook verschwinden, vermehren sie sich evt. schon längst auf anderen Plattformen oder privaten Rechnern. Damit können sich Attacken auch nach Jahren noch auswirken, z.B. etwa wenn spätere Kollegen am Arbeitsplatz diese entdecken.

Autor/in: Kira